Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Die Bundesregierung hat am 01.07.2020 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens beschlossen. Dies hat das BMJV im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt gegeben.

Zum Hintergrund

Die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU-Richtlinie 2019/1023) schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen.

Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf werden die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wonach das Verfahren nur noch drei Jahre statt bisher im Regelfall sechs Jahre dauern soll. Die Regelungen sollen nicht nur, wie von der Richtlinie vorgesehen, für unternehmerisch tätige Schuldner gelten, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Anders als bislang soll es dabei künftig für die Restschuldbefreiung nicht mehr erforderlich sein, dass die Schuldnerinnen und Schuldner ihre Verbindlichkeiten in einer bestimmten Höhe tilgen. Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Darüber hinaus werden die Schuldnerinnen und Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem wird ein neuer Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung geschaffen, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.

Geltung und Inkrafttreten der Änderungen

Die Verfahrensverkürzung soll für Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst bis zum 30. Juni 2025 befristet werden, um etwaige Auswirkungen auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbraucher beurteilen zu können. Dazu soll die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2024 einen Bericht erstatten, um eine Entscheidungsgrundlage für eine etwaige Entfristung zu schaffen. Der Bericht soll auch auf etwaige Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen Neustart nach Restschuldbefreiung ausgehen.

Die Verkürzung des Verfahrens soll insgesamt nicht dazu führen, dass die Schuldnerin oder der Schuldner im Falle einer erneuten Verschuldung auch schneller zu einer zweiten Restschuldbefreiung kommen kann. Daher wird die derzeitige zehnjährige Sperrfrist auf elf Jahre erhöht und das Restschuldbefreiungsverfahren in Wiederholungsfällen auf fünf Jahre verlängert.

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre soll für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden. Damit können auch diejenigen Schuldnerinnen und Schuldnern bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die durch die Covid-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Für Insolvenzverfahren, die ab dem 17. Dezember 2019 beantragt wurden, soll das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt werden.

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BGH zur Zulässigkeit eines Antrags auf Versagung der Restschuldbefreiung

BGH, Beschluss vom 13. Februar 2020 - IX ZB 55/18 - Landgericht Berlin / Amtsgericht Berlin-Charlottenburg

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass Insolvenzgläubiger weiterhin nur dann einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen können, wenn sie sich durch Anmeldung ihrer Forderung auch am Insolvenzverfahren beteiligt haben.

Vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg bis zum Bundesgerichtshof

Das Insolvenzgericht Berlin - Charlottenburg hatte den Antrag der beteiligten Insolvenzgläubigerin, die ihre Forderung gegen die Insolvenzschuldnerin nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hatte, zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin beim Landgericht Berlin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Antragstellerin ihren Versagungsantrag weiter, den der BGH nun abwiesen hat.

Die Antragstellerin hatte eingewandt, dass das Erfordernis einer Forderungsanmeldung für die Geltendmachung von Versagungsgründen nach neuen Recht nicht mehr besteht. Das Erfordernis habe nur wegen der bis zum 30.06.2014 gesetzlich geregelten Zäsurwirkung des Schlusstermins bestanden.

Zur alten Rechtslage

Nach alter Rechtslage konnten Gläubiger einen Ver­sa­gungsantrag nur im Schlusster­min des Insolvenzverfahrens stellen, begrün­den und glaub­haft machen. Begehrte ein Gläu­biger vorher die Ver­sa­gung der Restschuld­be­freiung, so han­delte es sich lediglich um die Ankündi­gung eines Antrages nach § 290 Abs. 1 InsO aF. Eine solche Ankündigung konnte aber noch nicht zur Ver­sa­gung der Restschuld­be­freiung führen. Eben­so wenig kon­nten mögliche Ver­sa­gungs­gründe erst nach dem Schlusster­min – gar erst im Beschw­erde­v­er­fahren – berück­sichtigt wer­den. Das galt selb­st dann, wenn der Gläu­biger von dem Fehlver­hal­ten des Schuld­ners erst nach dem Schlusster­min Kenntnis erlangt.

Zur neuen Rechtslage

Das seit dem 01.7.2014 geltende Insolvenzrecht durchbricht die Zäsurwirkung des Schlusstermins insoweit, als nach § 297a InsO nun einem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden kann, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Fall des § 211 InsO nach der Einstellung des Verfahrens herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat.

Ausschlaggebend aber dafür, - so der BGH in seinem klarstellenden Beschluss - dass schon nach altem Recht nur Insolvenzgläubiger, die eine Forderung zur Tabelle angemeldet hatten, berechtigt waren, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen, war nicht die Zäsurwirkung des Schlusstermins. Entscheidend war vielmehr die Überlegung, dass ein Versagungsantrag als Verfahrensrecht denjenigen Gläubigern vorbehalten sein sollte, die sich am Insolvenzverfahren durch Anmeldung ihrer Forderung beteiligten.

Aus diesem Grund war auch bei Versagungsanträgen, die Gläubiger nach dem Schlusstermin gestellt hatten, eine vorherige Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle erforderlich. Der erkennbare Wille des Gesetzgebers gehe dahin, auch nach neuem Recht nur Tabellengläubigern Versagungsanträge zu gestatten. Dieser Wille korrespondiere daher sowohl mit den Aussagen als auch mit den Beweggründen der Rechtsprechung zum früheren Recht.

Gleichwohl gilt es im Insolvenzfall weiterhin einige Fallstricke zu beachten, um die begehrte Restschuldbefreiung nicht zu gefährden. Zu die Möglichkeiten von Verbrauchern, über ein Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung zu erlangen, beraten unsere Rechtsanwälte Sie jederzeit kompetent und umsichtig. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.