LAG Berlin-Brandenburg zum Einsatz von Detektiven durch den Arbeitgeber

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2020 - Az: 9 Sa 584/20 -

Im Falle einer Beobachtung eines Arbeitnehmers durch Detektive an mehreren Tagen nebst Fertigung von Fotos ohne einen auf konkrete Tatsachen gegründeten Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung und ohne Ausschöpfung anderer verfügbarer Erkenntnisquellen vor Anordnung der Überwachung ergibt sich aus einer hierin liegenden Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot.

Im Falle einer solchen Beobachtung kann abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer unzumutbar im Sinne des § 9 Abs. 1 KSchG sein. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.

Sachverhalt:

Die Parteien stritten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und die Erstattung von Detektivkosten. Der Kläger war seit 1. Mai 1990 bei der Beklagten tätig, zuletzt als Vertriebsleiter. Der Kläger erhielt zuletzt ein Bruttoentgelt von 103.684,33 Euro.

1. Überwachung

Am 25. März 2019 beobachtete die Detektei T. im Auftrag der Beklagten den Kläger mit vier „Sachbearbeitern“ beginnend an dessen Wohnhaus in D. Nach dem Beobachtungsbericht verließ der Kläger sein Wohnhaus um 10.01 Uhr mit seinem Firmenwagen, fuhr nach Gera, stellte das Fahrzeug ab, ging durch die Stadtmitte, suchte in einem Einkaufszentrum eine Toilette auf, machte ein Foto von einer Baustelle des Campus G.-Gymnasium, fuhr nach N., hielt dort in der T.-M.-Straße an, ohne das Auto zu verlassen, nahm in N. in einer Fleischerei eine Mahlzeit zu sich, fuhr weiter durch Bad K. und kam um 15.44 Uhr wieder an seiner Wohnung in D. an und verlies diese nicht mehr. Nach dem Bericht wurden keine geschäftlichen Aktivitäten durchgeführt.

Am 3. April 2019 reichte der Kläger seine Reisekostenabrechnung für den März 2019 bei der Beklagten ein. Für den 25. März 2019 ist hier angegeben: Beginn 7:00 Uhr, Ende 18:30 Uhr, Anzahl Stunden abwesend 11:30, Zweck der Reise: Baustellenbesuche Gera, N., Leune, steuerfreier Pauschbetrag 2,40 Euro, Verpflegung 4,50 Euro.

2. Überwachung

Auch am 2. April 2019 beobachtete die Detektei T. im Auftrag der Beklagten den Kläger mit vier „Sachbearbeitern“ beginnend an dessen Wohnhaus in D. Nach dem Beobachtungsbericht verließ zunächst die Ehefrau des Klägers das Haus und wurde von Mitarbeitern der Detektei bei ihrer Fahrt mit dem Firmenwagen und dem Aufsuchen einer Fußpflegepraxis beobachtet, hierzu wurden Fotos erstellt. Der Kläger verließ nach dem Beobachtungsbericht das Haus mit dem Firmenwagen um 11.58 Uhr, tätigte in der Folgezeit diverse Einkäufe (Fahrradschuhe, Kartoffeln, Bier), entlud Altglas, betankte und reinigte den Wagen, betrat um 13.14 Uhr die Metzgerei E. Sch. Fleischerei & Feinkost GmbH in D., bestellte sich an der Theke ein Essen und verzehrte dieses vor Ort.

Am 7. Mai 2019 reichte der Kläger seine Reisekostenabrechnung für den April 2019 bei der Beklagten ein. Für den 2. April 2019 ist hier angegeben: Beginn 8:00 Uhr, Ende 17:30 Uhr, Anzahl Stunden abwesend 9:30, Zweck der Reise: Finsterwalde Projektbesprechung, steuerfreier Pauschbetrag 2,40, Verpflegung 5,30.

Anhörung und Kündigung

Der Geschäftsführer hörte den Beklagten daraufhin an.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2019, dem Kläger übergeben am selben Tag, erklärte die Beklagte die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Das LAG hat sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung für unzulässig erachtet, das Arbeitsverhältnis auf entsprechenden Antrag des gekündigten Arbeitnehmers wegen Unzumutbarkeit aufgelöst und diesem eine Abfindung in Höhe von 31.925,66 € zugesprochen.

Zu den wesentlichen Gründen:

Es sei davon auszugehen, dass in den Angaben des Klägers für den 2. April 2020 in der Reisekostenabrechnung eine erhebliche Pflichtverletzung liegt, wie sich aus einem Abgleich dieser Angaben und den Feststellungen der Detektei T. aufgrund der Überwachung des Klägers ergebe.

Unzulässigkeit der Überwachung

Das Observieren eines Arbeitnehmers durch einen - bzw. mehrere - Detektive sei eine Form der Datenerhebung, in der zugleich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht liege. Dieser müsse einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten.

Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht.

Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung dürfe daher keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach müsse im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme zur Aufklärung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ein auf konkrete Tatsachen gegründeter Verdacht für das Vorliegen einer solchen Pflichtverletzung bestehen. Eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, sei unzulässig.

Die Feststellungen der Detektei T. und der Sachvortrag der Beklagten, der diese Feststellungen wiedergibt, seien damit nicht verwertbar.Soweit Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten vorlägen, rechtfertigten diese die vorliegende Kündigung - ohne vorherige Abmahnung - im Übrigen nicht.

Auflösungsantrag zulässig

Die erfolgte Überwachung des Klägers durch eine Detektei stelle eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Zwar sei die Überwachung im öffentlichen Raum und zu üblichen Arbeitszeiten erfolgt. Gleichwohl stelle eine durchgehende Überwachung durch vier Mitarbeiter einer Detektei einschließlich der Überwachung seiner Ehefrau unter Erstellung zahlreicher Fotos u.a. beim Mittagessen eine erhebliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten dar. Eine solche sei an sich ausreichend, eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass sich ein betroffener Arbeitnehmer nach einem solchen Vorgehen bei jedem Schritt, ggf. auch in der Pause heimlich beobachtet fühlt. Auch dies mache diesem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhätnis mit dem Arbeitnehmer, der bereits eine neue Beschäftigung aufgenommen hatte, auf dessen Antrag daher aufgelöst und ihm die besagte Abfindung zugesprochen.

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Verjährung von Urlaubsansprüchen? Bundesarbeitsgericht fragt Europäischen Gerichtshof!

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. September 2020 - 9 AZR 266/20 (A)-

Zur Klärung der Frage, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach §§ 194 ff. BGB der Verjährung unterliegt, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Dies gab das Bundesarbeitsgericht in Karlsruhe im Rahmen einer Pressemitteilung vom 29.09.2020 bekannt.

Sachverhalt

Die Klägerin war vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 bei dem Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Sie hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub. Mit Schreiben vom 1. März 2012 bescheinigte der Beklagte der Klägerin, dass der "Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren" am 31. März 2012 nicht verfalle, weil sie ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufwandes in seiner Kanzlei nicht habe antreten können.

In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub. Mit der am 6. Februar 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren verlangt. Im Verlauf des Prozesses hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat geltend gemacht, für die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen.

LAG Düsseldorf

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat der Klage - soweit diese Gegenstand der Revison des Beklagten ist - stattgegeben. Es hat den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2016 verurteilt.

Bundesarbeitsgericht

Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren. Die Urlaubsansprüche konnten nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann. Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt.

Europäischer Gerichtshof

Vor diesem Hintergrund hat der Senat den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.

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Landgericht Berlin: Räumungfristen im Mietrecht und Prüfungsumfang der Gerichte

Landgericht Berlin, Beschluss vom 23.06.2020 - 67 T 57/20 -

Hat ein Gericht über die Verlängerung einer Räumungsfrist nach Kündigung zu entscheiden, so muss es auch Feststellungen zum Bemühen des Mieters zur Beschaffung von Ersatzwohnraum treffen. Die Versagung einer Räumungsfristverlängerung ist nur dann möglich, wenn Ersatz­wohnraum­ innerhalb der ursprünglichen Frist bei hinreichend intensiver Suche tatsächlich nicht beschafft werden konnte. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden.

1. Instanz: Amtsgericht Spandau

Im Rahmen eines Räumungsprozesses vor dem Amtsgericht Spandau (Berlin) war der Mieterin eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2020 eingeräumt worden. Die Mieterin beantragte jedoch später die Verlängerung der Frist. Sie behauptete, es trotz intensiver Bemühungen nicht geschafft zu haben, Ersatzwohnraum zu beschaffen. Sie argumentierte mit ihrer gesundheitliche Beeinträchtigung und der Corona-Pandemie. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Fristverlängerung zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Mieterin.

Beschwerde beim Landgericht Berlin

Das Landgericht Berlin entschied zu Gunsten der Mieterin. Das Amtsgericht hätte den Vortrag der Mieterin berücksichtigen und erforderlichenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Mieterin auch bei hinreichend intensiver Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der Räumungsfrist unmöglich war. Da dies aber unterblieben war, hat das Landgericht Berlin der Beschwerde der Mieterin stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Spandau zurückverwiesen.

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BGH: Widerspruchsrecht des gekündigten Mieters nach § 574 BGB eingeschränkt

BGH, Urteil vom 01.07.2020 - VIII ZR 323/18 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.07.2020 (Az. VIII ZR 323/18) die Widerspruchsmöglichkeiten der Mieter gegen vermieterseitige Kündigungen eingeschränkt.

Urteil des Bundesgerichtshof

Der nach Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB gegebene Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses ist nach § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter die außerordentliche Kündigung erklärt hat; es genügt, wenn dem Vermieter bei Zugang der ordentlichen Kündigung (auch) ein Recht zur fristlosen Kündigung zusteht.

Eine fristgerechte Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, so der BGH weiter, ändere an dem Ausschluss des Fortsetzungsanspruchs des Mieters nichts, da sie einer ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung im Wege der gesetzlichen Fiktion lediglich rückwirkend deren Gestaltungswirkung nehme, nicht aber dazu führe, dass ein Grund für die fristlose Kündigung von vornherein nicht bestanden hätte.

Für eine teleologische Reduktion von § 574 Abs. 1 BGB dahin, dass das Widerspruchsrecht des Mieters mit fristgerechter Schonfristzahlung neu entstehe oder wiederauflebe, sei kein Raum, da es an einer hierfür notwendigen planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, also einer verdeckten Regelungslücke, fehle.

Vorinstanz: Urteil des LG Berlin

Das Landgericht Berlin hatte in der Vorinstanz noch ein Widerspruchsrecht des Mieters angenommen und entschieden, dass sich das Mietverhältnis aufgrund einer nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängere.

Der Bundesgerichtshof aber stellt nun klar, dass dies nicht der Fall ist. Mit dem Widerspruchsrecht des Mieters wolle der Gesetzgeber zugunsten des Mieters aus sozialen Gründen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit schaffen, nach einer an sich berechtigten Kündigung des Vermieters die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen zu können.  

Ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses stehe dem Mieter aber gerade nicht zu, wenn gravierende Vertragsstörungen eingetreten seien, die den Vermieter auch zur fristlosen Kündigung berechtigten.

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BAG zu Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin - Aussetzung wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 13. Februar 2020 entschieden, dass die Kündigungen des Cockpit-Personals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin vom 28. November 2017 wegen Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam sind. Dies hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt schon am 13. Februar 2020 im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt gegeben.

Der Kläger des vorliegenden Verfahrens war bei Air Berlin als Pilot mit Einsatzort Düsseldorf beschäftigt und wendet sich ebenfalls gegen eine Kündigung vom 28. November 2017. Der Senat sieht die Kündigung aus den im Urteil vom 13. Februar 2020 (6 AZR 146/19) genannten Gründen als unwirksam an. Er wäre aus seiner Sicht an einer Entscheidung auch nicht wegen einer Verpflichtung zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV gehindert.

Der beklagte Insolvenzverwalter hat jedoch, wie das BAG nunmehr ihm Rahmen einer weiteren Pressemitteilung vom 10. September 2020 bekannt gibt, zwischenzeitlich Verfassungsbeschwerden u.a. gegen die Entscheidungen des Senats vom 13. Februar 2020 erhoben. In Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot sowie zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG hat der Senat die Verhandlung deshalb in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bis zum 31. März 2022 ausgesetzt. Diese befristete Aussetzung berücksichtigt sowohl den Umstand, dass weitere Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen über die Wirksamkeit der Kündigungen vom 28. November 2017 die Entscheidungsgrundlage des Bundesverfassungsgerichts nicht verbreitern, als auch die Interessen beider Parteien des vorliegenden Rechtsstreits in angemessener Weise.

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Amtsgericht Berlin - Mitte: Kündigung trotz verhältnismäßig geringer Mietrückstände wirksam

AG Mitte, Urteil vom 04.09.2019 - 9 C 104/19

Bei der ordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund von Zahlungsrückständen des Mieters kommt es auf den Vertragsverstoß als solchen, nicht aber auf die Höhe der Rückstände an. Dies hat das AG Berlin - Mitte vor wenigen Tagen entschieden.

Ständig wiederkehrende Mietrückstände

Ein Mieter, der seine Miete immer wieder verspätet zahlte und durch den Vermieter regelmäßig gemahnt werden musste, hatte auch für Februar und März 2019 keine Mietzahlungen geleistet. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise auch fristgemäß. Nach Ausspruch der Kündigung zahlte der Mieter die Mieten für Februar und März unverzüglich nach. Der Vermieter hielt dennoch weiter an seiner ordentlichen Kündigung fest und verlangte die Räumung der Wohnung sowie die Zahlung des von ihm berechneten weiteren Mietrückstandes i.H.v. ca. 1.200,00 Euro.

Das AG Berlin-Mitte hat dem Vermieter Recht gegeben und hierbei ausgeführt, es sei in der Rechtsprechung durch den klarstellenden Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.07.2016 zwischenzeitlich geklärt, dass nur die fristlose Kündigung durch Zahlung des kompletten Mietrückstandes innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt werden könne. Dies gelte aber nicht für die hier ebenfalls erklärte ordentliche Kündigung.

Der Beklagte wandte hiergegen ein, das Mietverhältnis bestehe schon seit sehr langer Zeit und der Betrag i.H.v. ca. 1.200 Euro sei nicht erheblich genug, um das langjährige Vertragsverhältnis ordentlich zu beenden.

Dem hat das AG Berlin-Mitte eine Absage erteilt und ausgeführt, es sei – auch nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH – im Mietverhältnis von gegenseitigen und zueinander gleichgeordneten vertraglichen Pflichten auszugehen: der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung und derjenigen zur Mietzinszahlung. Es komme daher entscheidend auf den durch die ständigen Mietrückstände verwirklichten Vertragsverstoß als solchen, nicht aber auf die Höhe der Mietrückstände an.

Keine Heilung der Kündigung wegen betragsmäßig geringer Rückstände

Die Höhe der Mietrückstände sei kein maßgebliches Argument, das gegen die Wirksamkeit der hier gegenständlichen Kündigung spreche. Zwar sei im Einzelfall denkbar, dass die lange Dauer eines unbeanstandeten Mietverhältnisses zu einem anderen Ergebnis führe. Dies sei im Falle eines - wie hier - mehrfach und regelmäßig gemahnten Mieters indes nicht der Fall. Die Räumungsklage hatte daher letztlich Erfolg.

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Bundesarbeitsgericht: Die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführer folgt aus § 621 BGB

BAG, Urteil vom 11.6.2020, 2 AZR 374/19

Für die Kündigung eines Geschäftsführervertrags gilt nach § 621 BGB eine kurze Kündigungsfrist, denn der Geschäftsführervertrag wird als freier Dienstvertrag angesehen. So kann das Vertragsverhältnis, wenn das Gehalt nach Monaten bemessen ist, nach § 621 Nr. 3 BGB durch eine bis zum fünfzehnten eines Monats abgegebene Erklärung zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden. Wenn das Gehalt nach längeren Zeitabschnitten bemessen ist, gilt eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende. Die Frist gilt für beide Seiten.

Bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte

Diese kurzen gesetzlichen Fristen galten nach bisheriger richterlicher Rechtsfortbildung nicht für Fremdgeschäftsführer. Ebensowenig für Gesellschafter-Geschäftsführer, die einen zu kleinen Anteil an der Gesellschaft halten, um einen beherrschenden Einfluss auf diese entfalten zu können. Für solche Geschäftsführer waren die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB maßgeblich. Dies sieht auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung so.

Neue Rechtsprechung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat nun gegenteilig entschieden, dass auch für Fremdgeschäftsführer und solche, die lediglich einen kleinen Anteil an der Gesellschaft halten, die in der Regel kürzeren Kündigungsfristen des § 621 BGB gelten.

Ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, könne sich nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen.

§ 622 BGB sei vielmehr - seinem Wortlaut entsprechend - nur auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses anzuwenden. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung in § 621 BGB fehle es an einer ausfüllungsbedürftigen planwidrigen Regelungslücke. Eine analoge Anwendung der Norm auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags sei daher nicht zulässig.

Regelmäßig sehen Geschäftsführerverträge lange Kündigungsfristen im Falle einer ordentlichen Kündigung vor. Geschäftsführer, die vorausschauend handeln achten bei der Vertragsverhandlung darauf und haben zusätzlich eine Abfindungsregelung vertraglich vereinbart.

Bei allen Fragestellungen zu Dienstverträgen sowie in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.

Zeitweiser Kündigungsausschluss von Mietverhältnissen und Darlehen in der Coronakrise

Der Gesetzgeber in Berlin hat mit dem Gesetz für leichteren Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus (Sozialschutzpaket) zahlreiche neue Regelungen erlassen, um damit die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern.

Mietverhältnisse

Die Regelungen betreffen insbesondere die Miete von Wohnraum aber auch gewerbliche Miet- bzw. Pachtverhältnisse, also auch Gewerbeimmobilien. Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum 01.04.2020 bis 30.06.2020 berechtigen den Vermieter – für die Dauer von 24 Monaten – nicht mehr unmittelbar zur Kündigung.

Diese Einschränkung gilt für die Fälle, in denen die Rückstände auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Die Regelung ist auf Mieten aus dem Zeitraum April bis Juni 2020 beschränkt. Die Pflicht des Mieters oder Pächters zur fristgerechten Zahlung bleibt jedoch auch in dieser Zeit grundsätzlich bestehen. Es ist also kein Verzicht oder Erlass der Miete, sondern vielmehr eine Stundung.

Erst, wenn der Mieter oder Pächter die Zahlungsrückstände auch nach dem 30.06.2022 noch nicht beglichen hat, kann der Vermieter wegen dieser Rückstände wieder kündigen.

Mit diesen Regelungen verhindert der Gesetzgeber, dass infolge von Einkommensrückgängen wegen der Corona-Pandemie Mieter ihr Zuhause und Pächter gewerblicher Räume und von Grundstücken ihre Existenz- und Wirtschaftsgrundlage verlieren.

Verbraucherdarlehensverträge

Eine weitere Regelung hat der Gesetzgeber zu Verbraucherdarlehensverträgen, die Darlehensgeber und Darlehensnehmer vor dem 15. März 2020 abgeschlossen haben, erlassen:

Darlehensnehmer, die Kreditraten der Monate April bis Juni 2020 nicht zahlen können, haben Anspruch auf eine dreimonatige Stundung der Kreditraten, ohne dass der Darlehensgeber des Darlehensvertrags wegen Zahlungsverzuges kündigen dürfte. Dies gilt nur für Verbraucherdarlehen. Darlehensverträge von Unternehmern – solche zu gewerblichen Zwecken - werden dagegen von der Regelung derzeit nicht erfasst.

Verbraucherdarlehensverträge sind Darlehensverträge, die ein Verbraucher als Darlehensnehmer zu privaten Zwecken abschließt. Es kommt also auf die Verbrauchereigenschaft im Hinblick auf den konkreten Darlehensvertrag an. So können Darlehensverträge, die ein Unternehmer zu privaten Zwecken schließt, im Einzelfall erfasst sein. Es bedarf insoweit einer Einzelfallprüfung.

Das Recht auf eine Aussetzung der fälligen Kreditraten haben Darlehensnehmer aber nicht in allen Fällen. Das Recht besteht nur, wenn sie durch die Corona-Pandemie Einnahmeausfälle haben, z. B. durch den Arbeitsplatzverlust oder Kurzarbeit, fehlende (Miet-)einnahmen oder Wegfall von Aufträgen. Es muss sich also um eine Notlage handeln, die durch die Coronakrise erst ausgelöst wurde.

Ob Sie im Einzelfall von den obenstehenden Regelungen profitieren könnten, sollten Sie im Zweifelsfall anwaltlich überprüfen lassen. Für diese und sonstige rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Coronakrise stehen Ihnen unsere Experten jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf und vereinbaren einen Termin.