Landgericht Berlin: Räumungfristen im Mietrecht und Prüfungsumfang der Gerichte

Landgericht Berlin, Beschluss vom 23.06.2020 - 67 T 57/20 -

Hat ein Gericht über die Verlängerung einer Räumungsfrist nach Kündigung zu entscheiden, so muss es auch Feststellungen zum Bemühen des Mieters zur Beschaffung von Ersatzwohnraum treffen. Die Versagung einer Räumungsfristverlängerung ist nur dann möglich, wenn Ersatz­wohnraum­ innerhalb der ursprünglichen Frist bei hinreichend intensiver Suche tatsächlich nicht beschafft werden konnte. Dies hat das Landgericht Berlin entschieden.

1. Instanz: Amtsgericht Spandau

Im Rahmen eines Räumungsprozesses vor dem Amtsgericht Spandau (Berlin) war der Mieterin eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2020 eingeräumt worden. Die Mieterin beantragte jedoch später die Verlängerung der Frist. Sie behauptete, es trotz intensiver Bemühungen nicht geschafft zu haben, Ersatzwohnraum zu beschaffen. Sie argumentierte mit ihrer gesundheitliche Beeinträchtigung und der Corona-Pandemie. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Fristverlängerung zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Mieterin.

Beschwerde beim Landgericht Berlin

Das Landgericht Berlin entschied zu Gunsten der Mieterin. Das Amtsgericht hätte den Vortrag der Mieterin berücksichtigen und erforderlichenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Mieterin auch bei hinreichend intensiver Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der Räumungsfrist unmöglich war. Da dies aber unterblieben war, hat das Landgericht Berlin der Beschwerde der Mieterin stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Spandau zurückverwiesen.

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Insolvenzgeld bei sittenwidrigem Lohn

Sozialgericht Mainz, Urteil vom 07.09.2018 - S 15 AL 101/14 -

Der In­sol­venz­geld­an­spruch eines Ar­beits­neh­mers, der zuvor ein sit­ten­wid­rig nied­ri­ges Ar­beits­ent­gelt er­hal­ten hat, ist nach dem üb­li­cher­wei­se ge­zahl­ten Ta­rif­lohn zu be­mes­sen. Dies hat das So­zi­al­ge­richt Mainz mit Ur­teil vom 07.09.2018 ent­schie­den und der Klage eines Mau­rers gegen die Bun­des­agen­tur für Ar­beit statt­ge­ge­ben.

Im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers zahlt die Bundesagentur für Arbeit Arbeitnehmern Insolvenzgeld, wenn der Arbeitgeber Löhne aufgrund seiner Insolvenz nicht zahlen kann. Hierbei wird das für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis das fehlende Arbeitsentgelt durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Es bemisst sich hierbei grundsätzlich nach der Höhe des geschuldeten Netto­arbeits­entgelts. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger von seinem Arbeitgeber für eine Vollzeitbeschäftigung als Maurer ein monatliches Gehalt von lediglich 400,00 Euro brutto erhalten.

Der Kläger hatte von der beklagten Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld erhalten, dass diese ausgehend vom Nettogehalt des Klägers auf knapp 400,00 Euro festlegte. Hiergegen wandte sich der Kläger und verlangte ein monatliches Insolvenzgeld in Höhe von 1.421,99 Euro.

Höhe des Insolvenzgeldes bei Sittenwidrigkeit nach üblicherweise gezahltem Tariflohn zu bemessen

Das Gericht gab der Klage statt und verurteilte die Bundesagentur für Arbeit zur Zahlung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das vereinbarte Gehalt von 400,00 Euro sei sittenwidrig, da es in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeit, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche.

Der Kläger habe zu einem Stundenlohn von 2,27 Euro gearbeitet, was gerade einmal einem Fünftel des damals maßgeblichen Tariflohns der Baubranche entsprochen habe. Für die Höhe des Insolvenzgeldes folge hieraus, dass dieses nicht auf Grundlage der vertraglichen Vergütungsabrede zu bemessen sei, sondern auf Grundlage des üblicherweise gezahlten Tariflohns.

Es könne auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers darin gesehen werden, dass er monatelang die Zahlung eines untertariflichen Lohnes hingenommen habe, nun aber von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld auf der Grundlage tariflichen Lohnes verlange. Er begehre einen letztlich gesetzlich vorgezeichneten Lohnanspruch, der ihm in ungesetzlicher Weise bislang vorenthalten worden sei. Gerade in den Fällen des Lohnwuchers sei es regelmäßig so, dass Arbeitnehmer sich wegen einer schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Arbeitsmarktverhältnisse auf einen ungünstigen Vertrag einließen.

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