BGH: Nachweis der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten bei Insolvenz der KG

BGH, Urteil vom 21.7.2020 - II ZR 175/19 -

Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 428, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht allein davon abhängig, ob diese Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können. Dies hat der BGH in einer Leitsatzentscheidung erkannt.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer KG (im Folgenden: Schuldnerin). Über deren Vermögen wurde im Februar 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte ist mit einer Einlage von 50.000 € als Kommanditistin an der Schuldnerin beteiligt. Sie erhielt in den Jahren 2005 bis 2007 nicht durch Einlagen gedeckte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 18.500 €. Im Rahmen eines Sanierungsprogramms zahlte die Beklagte 7.500 € an die Schuldnerin zurück. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlange die noch offene Differenz i.H.v. 11.000 €.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die eingeklagten 11.000 € zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich seien. Das Bestreiten der ordnungsgemäßen Abrechnung durch die Beklagte sei unbeachtlich. Soweit der Kläger Gerichtskosten und Rechtsanwaltsvergütungen aus der Masse bezahlt habe, sei auch dies unerheblich. Insoweit könne zu diskutieren sein, ob der Insolvenzmasse fiktiv Beträge hinzugerechnet werden müssten. Dies weil die Gesellschafter nicht für sämtliche Masseverbindlichkeiten und nicht für die Verfahrenskosten hafteten. Soweit dem Insolvenzverwalter vorgeworfen werde, er habe es versäumt, Sondermassen zu bilden, könne dies nur in einem Haftungsprozess gegen den Insolvenzverwalter nach Abschluss des Insolvenzverfahrens geklärt werden.

Der BGH hat nun der Revision stattgegeben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Rechtsfehlerhaft sei die Annahme des Berufungsgerichts, für die Inanspruchnahme der Beklagten gemäß § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter sei es unerheblich, ob die Forderungen, für die die Kommanditisten haften, bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter der Höhe nach gedeckt sind. Dem Kommanditisten stehe ggü. dem Insolvenzverwalter der Einwand zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden, für die er haftet, nicht erforderlich ist.

Die Darlegungs- und Beweislast hierfür habe der in Anspruch genommene Gesellschafter. Jedoch habe der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist.

Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten sei ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich sei. Der Kommanditist könne gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht sei.

Ebenso, wie den Gesellschaftern innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens die Wirkungen eines Vergleichs zu Gute kommen, könnten diese sich entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf berufen, das zur Befriedigung der Gläubiger ihrerseits Erforderliche getan zu haben. Die Gesellschafter haften für die Gläubigerforderungen untereinander als Gesamtschuldner. Die Kommanditisten haften nach § 171 Abs. 1 Halbsatz 1, § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB jeweils beschränkt auf die (wiederaufgelebte) Haftsumme.

Das Berufungsurteil war vom BGH danach aufzuheben und die Sache, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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