COVID-19: Was Sie jetzt über Insolvenzantrag, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung in der Coronakrise wissen müssen...

Bis Ende des Jahres 2020 sollen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie überschuldete Unternehmen von der Insolvenzantragspflicht befreit werden, wie das Bundeskabinett jetzt mitgeteilt hat. Die seit 01.03.2020 geltenden Erleichterungen für Unternehmen in der Krise werden damit aber nur zum Teil verlängert. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für coronabedingt zahlungsunfähige Unternehmen endet mit Ablauf des 30.09.2020. Damit Sie als Unternehmer nicht die wirtschaftliche Existenz Ihres Unternehmens gefährden und der persönlichen Haftung sowie einer eventuellen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung entgehen, gibt es jetzt Einiges zu beachten. Wichtig ist, zunächst zu erkennen, ob Ihr Unternehmen insolvenzreif ist.

Insolvenzreife

Insolvenzreife kann bestehen, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, zumindest 90 % der fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten zu erfüllen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn es seine Zahlungen eingestellt hat. Eine bloße Zahlungsstockung kann nur dann vorliegen, wenn der Schuldner kurzfristig - innerhalb von nicht mehr als drei Wochen imstande ist, sich die erforderlichen liquiden Mittel zu beschaffen, um die fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Ob lediglich eine Zahlungsstockung oder schon eine - für die Geschäftsleitung des Unternehmens potentiell haftungsträchtige und strafrechtlich gefährliche Insolvenzreife vorliegt, hängt von einer individuellen Detailprüfung ab.

Typische - jedoch nicht abschließende - Indizien der durch eine Zahlungseinstellung vermittelten Zahlungsunfähigkeit sind:

  • Zahlungsrückstände bei wichtigen Gläubigern / Lieferanten

  • Die Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern, und Sozialversicherungsbeiträgen

  • Das Nichtabführen von Steuern trotz Strafbewehrheit

  • vermehrte Rücklastschriften

  • Zwangsvollstreckungen / Vorliegen von Vollstreckungsanträgen

  • Anträge zur Abgabe der Vermögensauskunft

  • Haftbefehle wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft

Bei juristischen Personen bildet auch die Überschuldung grundsätzlich einen Insolvenzgrund, der die Insolvenzantragspflicht auslösen kann.

Überschuldung

Überschuldung ist anzunehmen, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Neben der rechnerischen bzw. bilanziellen Überschuldung ist die Frage einer positiven oder negativen Fortführungsprognose für die Beurteilung des Insolvenzgrundes der Überschuldung maßgeblich. Eine Insolvenzantragspflicht liegt trotz rechnerischer Überschuldung dann nicht vor, wenn eine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen gestellt werden kann. Dies muss allerdings das schuldnerische Unternehmen selbst bzw. dessen Leitungsorgan im Streitfall beweisen.

Grundsätzlich sollten Geschäftsführer einer GmbH, einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) oder Vorstände einer AG bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung möglichst unverzüglich Insolvenzantrag stellen, um eine verschärfte persönliche Haftung zu vermeiden. Spätestens drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrunds muss der Insovenzantrag zwingend gestellt werden. Dadurch könnten die verantwortlichen Organe häufig die Gefahr der Strafbarkeit vermeiden.

Insbesondere im Falle der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit sollten Sie jetzt, spätestens aber mit Ablauf des Monats September 2020, aktiv werden. Wichtig ist, zunächst zu erkennen, ob Sie überhaupt verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Antragspflicht bei Personengesellschaften?

Bei Personengesellschaften wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR bzw. BGB-Gesellschaft), der oHG (offene Handelsgesellschaft), der KG (Kommanditgesellschaft) oder bei Einzelunternehmern gilt: rechtlich besteht keine Verpflichtung, Insolvenzantrag zu stellen – erlaubt und möglich ist die Insolvenzantragstellung aber grundsätzlich, wenn das Unternehmen (drohend) zahlungsunfähig oder (bei justitischen Personen) überschuldet ist.

Antragspflicht bei Kapitalgesellschaften!

Soll oder muss (bei Kapitalgesellschaften) ein Insolvenzantrag gestellt werden, ist es äußerst wichtig, darauf zu achten, dass der Insolvenzantrag formal korrekt und in zulässiger Form gestellt wird. Denn eine fehlerhafte Antragsstellung führt häufig dazu, dass der Insolvenzantrag letztlich unzulässig und damit ungültig bzw. wirkungslos ist. Der Insolvenzantrag gilt dann rechtlich als überhaupt nicht gestellt. In solchen Fällen können bei bestehender Insolvenzantragspflicht die beschriebenen Rechtsfolgen, wie etwa eine Insolvenzverschleppung, eintreten. Daher ist es überaus wichtig, einen Insolvenzantrag gewissenhaft – erforderlichenfalls mit Hilfe eines Spezialisten – vorzubereiten oder ihn zumindest vorher anwaltlich prüfen zu lassen. Häufig kann ein Insolvenzantrag mit Hilfe des Know-Hows von Sanierungsexperten sogar noch vermieden werden.

Vermeidung des Insolvenzantrags!

Zur Vermeidung eines Insolvenzantrags können Schuldner mit ihren Gläubigern z.B. Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen treffen. Durch diese verschiebt sich die Fälligkeit der Forderungen. Dafür ist jedoch zu Beweiszwecken dringend empfehlenswert, derartige Vereinbarungen schriftlich zu schließen. Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen unterliegen grundsätzlich keiner besonderen Form, notfalls genügt bereits eine Bestätigung der jeweiligen Gläubigers per E-Mail. Eine weitere Möglichkeit zur Abwendung der Insolvenz ist beispielsweise die Inanspruchnahme staatlicher Überbrückungs- und Betriebsmittelkredite - etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Investitionsbank Berlin (ibb), die eigene Corona - Förderprogramme und Coronahilfen anbieten. Auch bei der Inanspruchnahme von Hilfen und der Beantragung von Krediten empfiehlt es sich, erfahrene Sanierungsexperten einzuschalten, um den Betrieb nicht als Ganzes zu gefährden oder die eigene Haftung oder Strafbarkeit zu riskieren.

Insolvenzantrag und dann...?

Sofern der Insolvenzantrag letztlich nicht zu vermeiden ist, bestimmt das Insolvenzgericht in aller Regel bei laufendem Betrieb einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser meldet sich normalerweise bereits innerhalb eines Tages beim Unternehmen und wird die weiteren Schritte mit der Unternehmensführung abstimmen. Auch in dieser Phase sollten Sie sich von spezialisierten Anwälten beraten lassen.

Das Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens ist es zunächst, den schuldnerischen Betrieb fortzuführen und das Unternehmen zu sanieren. Insbesondere im vorläufigen Insolvenzverfahren ist die einstweilige Betriebsfortführung mit Hilfe des Insolvenzgeldes fast immer möglich.

Zu allen Fragen rund um die Insolvenzantragstellung und zu den Möglichkeiten einer Vermeidung der Insolvenz beraten Sie unsere Berliner Sanierungsexperten im Bedarfsfall gerne jederzeit. Auch in der Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung und im eröffneten Verfahren beraten wir die schuldnerischen Geschäftsführer und Vorstände. Nehmen Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.

Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Die Bundesregierung hat am 01.07.2020 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens beschlossen. Dies hat das BMJV im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt gegeben.

Zum Hintergrund

Die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU-Richtlinie 2019/1023) schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen.

Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf werden die Richtlinienvorgaben zur Restschuldbefreiung umgesetzt, wonach das Verfahren nur noch drei Jahre statt bisher im Regelfall sechs Jahre dauern soll. Die Regelungen sollen nicht nur, wie von der Richtlinie vorgesehen, für unternehmerisch tätige Schuldner gelten, sondern, wie von der Richtlinie empfohlen, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Anders als bislang soll es dabei künftig für die Restschuldbefreiung nicht mehr erforderlich sein, dass die Schuldnerinnen und Schuldner ihre Verbindlichkeiten in einer bestimmten Höhe tilgen. Allerdings müssen Schuldnerinnen und Schuldner auch weiterhin bestimmten Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um eine Restschuldbefreiung erlangen zu können, z.B. einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen. Darüber hinaus werden die Schuldnerinnen und Schuldner in der sog. Wohlverhaltensphase stärker zur Herausgabe von erlangtem Vermögen herangezogen. Außerdem wird ein neuer Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung geschaffen, wenn in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten begründet werden.

Geltung und Inkrafttreten der Änderungen

Die Verfahrensverkürzung soll für Verbraucherinnen und Verbraucher zunächst bis zum 30. Juni 2025 befristet werden, um etwaige Auswirkungen auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucherinnen und Verbraucher beurteilen zu können. Dazu soll die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2024 einen Bericht erstatten, um eine Entscheidungsgrundlage für eine etwaige Entfristung zu schaffen. Der Bericht soll auch auf etwaige Hindernisse eingehen, die von den bestehenden Möglichkeiten der Speicherung insolvenzbezogener Informationen durch Auskunfteien für einen wirtschaftlichen Neustart nach Restschuldbefreiung ausgehen.

Die Verkürzung des Verfahrens soll insgesamt nicht dazu führen, dass die Schuldnerin oder der Schuldner im Falle einer erneuten Verschuldung auch schneller zu einer zweiten Restschuldbefreiung kommen kann. Daher wird die derzeitige zehnjährige Sperrfrist auf elf Jahre erhöht und das Restschuldbefreiungsverfahren in Wiederholungsfällen auf fünf Jahre verlängert.

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre soll für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden. Damit können auch diejenigen Schuldnerinnen und Schuldnern bei einem wirtschaftlichen Neuanfang unterstützt werden, die durch die Covid-19-Pandemie in die Insolvenz geraten sind. Für Insolvenzverfahren, die ab dem 17. Dezember 2019 beantragt wurden, soll das derzeit sechsjährige Verfahren monatsweise verkürzt werden.

Zu allen Fragen rund um die Insolvenzantragstellung und zu den Möglichkeiten einer Vermeidung der Insolvenz beraten Sie unsere Berliner Sanierungsexperten im Bedarfsfall gerne jederzeit. Auch in der Phase der vorläufigen Insolvenzverwaltung und im eröffneten Verfahren beraten wir die schuldnerischen Geschäftsführer und Vorstände sowie Privatpersonen. Nehmen Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.