Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Eigenkündigung

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.10.2019 - 1 Sa 503/19

Die „auf Wunsch des Mitarbeiters“ zurückgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses meint die unterschiedslose Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Knüpft daran eine Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an, differenziert diese nicht ausreichend und ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Dies hat das LAG Hamm in einer zwischenzeitlich veröffentlichten Leitsatzentscheidung entschieden.

Zum Sachverhalt

Die klagende Arbeitgeberin forderte vom beklagten Arbeitnehmer Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten.

Auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.01.2015 beschäftigte die Klägerin den Beklagten seit dem 15.01.2015 als Gesundheits- und Krankheitspfleger. Am 22.06.2016 schlossen die Parteien einen „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel“ , auf dessen Basis der Beklagte vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2018 eine Fachweiterbildung absolvierte, die er bereits Ende September 2018 erfolgreich abschloss. Während des Lehrgangs wurde der Beklagte in einem Umfang von 670 Stunden unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt, um an der Fortbildung teilnehmen zu können. Die dafür anfallenden Vergütungskosten bezifferte die Klägerin mit 15.235,48 €. Die Kosten des Lehrgangs waren in der Fortbildungsvereinbarung mit 5.300,00 € angegeben. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 12.07.2018 ordentlich und fristgerecht zum 30.09.2018.

Der Fortbildungsvertrag regelte in § 2 Folgendes:

"Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die dem Arbeitgeber entstandenen Auswendungen für die Weiterbildung, einschließlich der für die Zeit der Freistellung gezahlte Vergütung, zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung auf Wunsch dem Mitarbeiter (sic!) beendet wird oder das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird. Ebenfalls liegt eine Rückzahlungsverpflichtung für den gleichen Zeitraum vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.“

Die Klägerin nahm den Beklagten daraufhin auf Erstattung der Fortbildungskosten in Anspruch. Eine Zahlungspflicht hat das LAG Hamm indes verneint und entschieden, dass die im Ergebis unwirksame Klausel den beklagten Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Keine Rückzahlungspflicht bei Unklarheit der Rückzahlungsklausel

Zur Begründung hat das LAG Hamm unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie folgt ausgeführt:

Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen unterliegen einer Inhaltskontrolle i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Diese findet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bei solchen allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen auch solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten. § 2 des Fortbildungsvertrages legt hier die Umstände der Hauptleistungspflichten aus der Fortbildungsvereinbarung fest. Durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck wird eine von der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1, 2 GG abweichende Regelung vereinbart und damit von einer Rechtsvorschrift abgewichen.

Der Wirksamkeit der auf Rückzahlung der aufgewandten Fortbildungskosten ausgerichteten Klausel in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages steht § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Die Rückzahlungsklausel benachteiligt den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weshalb sie unwirksam ist und ersatzlos entfällt.

Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung müssen sich Rückzahlungsklauseln, die als allgemeine Geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Vorformulierte Rückzahlungsklauseln sind dann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu beachten und auszugleichen.

Wenn auch einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig sind, sind sie jedenfalls dann unwirksam, wenn sie die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig einschränken. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Die rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitnehmers werden dann nicht ausreichend beachtet, wenn die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist geknüpft wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert wird.

Die Rückforderungsklausel nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative des Fortbildungsvertrags differenziert nicht danach, aus welchen Gründen der beklagte Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausgespricht. Die Klausel erfasst deshalb auch eine Kündigung des Arbeitnehmers, die auf Gründe zurückzuführen ist, die in der Sphäre des Arbeitgebers wurzeln – z. B. in dessen vertragswidrigem Verhalten. Anerkennens- und billigenwerte Interessen der klagenden Arbeitgeberin, eine Klausel mit einem solchen Inhalt aufzustellen, sind indes nicht ersichtlich. Dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des beklagten Arbeitnehmers, denn in einer solchen Situation nimmt der Arbeitgeber durch die aus seiner Sphäre ausgelösten Kündigungsgründe dem beklagten Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

Bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.