Bundesarbeitsgericht: Kopftuchverbot für Berliner Lehrerin ist unzulässig

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. August 2020 - 8 AZR 62/19 -

Lehrerinnen in Berlin haben das Recht, bei ihrer Arbeit ein Kopftuch zu tragen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem von einer Berliner Lehrerin angestrengten Klageverfahren am 28.08.2020 entschieden und im Rahmen einer Pressemitteilung vorab veröffentlicht. Das Verbot sei diskriminierend. Die Lehrerin erhält nun eine finanzielle Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Sachverhalt

Die Klägerin ist Diplom-Informatikerin; sie bezeichnet sich als gläubige Muslima und trägt als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung ein Kopftuch. Die Klägerin bewarb sich beim beklagten Land im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat für eine Beschäftigung als Lehrerin in den Fächern Informatik und Mathematik in der Integrierten Sekundarschule (ISS), dem Gymnasium oder der Beruflichen Schule. Das beklagte Land lud sie zu einem Bewerbungsgespräch ein. Im Anschluss an dieses Gespräch, bei dem die Klägerin ein Kopftuch trug, sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz an. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen.

Nachdem ihre Bewerbung erfolglos geblieben war, nahm die Klägerin das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihrer Religion benachteiligt.

Zur Rechtfertigung dieser Benachteiligung könne das beklagte Land sich nicht mit Erfolg auf § 2 Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Das darin geregelte pauschale Verbot, innerhalb des Dienstes ein muslimisches Kopftuch zu tragen, verstoße gegen die durch Art. 4 GG geschützte Glaubensfreiheit. Das beklagte Land hat demgegenüber eingewandt, das Berliner Neutralitätsgesetz sei verfassungsgemäß und auch unionsrechtskonform. Die darin geregelte Verpflichtung der Lehrkräfte, im Dienst ua. keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG bzw. der unionsrechtlichen Vorgaben dar. Angesichts der Vielzahl von Nationalitäten und Religionen, die in der Stadt vertreten seien, sei eine strikte Neutralität im Unterricht aus präventiven Gründen erforderlich. Des Nachweises einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität bedürfe es nicht.

Entscheidungen des ArbG Berlin und des LAG Berlin Brandenburg

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat das beklagte Land Revision eingelegt, mit der es sein Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit welcher sie die Zahlung einer höheren Entschädigung begehrt.

Entscheidung des BAG

Sowohl die Revision des beklagten Landes als auch die Anschlussrevision der Klägerin hatten vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klägerin kann von dem beklagten Land nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG die Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verlangen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren.

Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz angesprochen und die Klägerin daraufhin erklärt hat, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Diese Vermutung hat das beklagte Land nicht widerlegt.

Benachteiligung rechtswidrig

Die Benachteiligung der Klägerin ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Das beklagte Land kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die in § 2 Berliner Neutralitätsgesetz getroffene Regelung berufen, wonach es Lehrkräften u.a. untersagt ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke und damit auch ein sog. islamisches Kopftuch zu tragen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, führt eine Regelung, die - wie § 2 Berliner Neutralitätsgesetz - das Tragen eines sog. islamischen Kopftuchs durch eine Lehrkraft im Dienst ohne Weiteres, d.h. schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule verbietet, zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, sofern das Tragen des Kopftuchs - wie hier im Fall der Klägerin - nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.

Berliner Neutralitätsgesetz ist verfassungskonform auszulegen

§ 2 Berliner Neutralitätsgesetz ist in diesen Fällen daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter hat das beklagte Land indes nicht dargetan.

Mit den Ausnahmeregelungen in den §§ 3 und 4 Berliner Neutralitätsgesetz stellt der Berliner Gesetzgeber sein dem § 2 Berliner Neutralitätsgesetz zugrundeliegendes Regelungskonzept selbst in Frage. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg über die Höhe der der Klägerin zustehenden Entschädigung hielt im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

Bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.

Insolvenzgeld bei sittenwidrigem Lohn

Sozialgericht Mainz, Urteil vom 07.09.2018 - S 15 AL 101/14 -

Der In­sol­venz­geld­an­spruch eines Ar­beits­neh­mers, der zuvor ein sit­ten­wid­rig nied­ri­ges Ar­beits­ent­gelt er­hal­ten hat, ist nach dem üb­li­cher­wei­se ge­zahl­ten Ta­rif­lohn zu be­mes­sen. Dies hat das So­zi­al­ge­richt Mainz mit Ur­teil vom 07.09.2018 ent­schie­den und der Klage eines Mau­rers gegen die Bun­des­agen­tur für Ar­beit statt­ge­ge­ben.

Im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers zahlt die Bundesagentur für Arbeit Arbeitnehmern Insolvenzgeld, wenn der Arbeitgeber Löhne aufgrund seiner Insolvenz nicht zahlen kann. Hierbei wird das für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis das fehlende Arbeitsentgelt durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Es bemisst sich hierbei grundsätzlich nach der Höhe des geschuldeten Netto­arbeits­entgelts. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger von seinem Arbeitgeber für eine Vollzeitbeschäftigung als Maurer ein monatliches Gehalt von lediglich 400,00 Euro brutto erhalten.

Der Kläger hatte von der beklagten Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld erhalten, dass diese ausgehend vom Nettogehalt des Klägers auf knapp 400,00 Euro festlegte. Hiergegen wandte sich der Kläger und verlangte ein monatliches Insolvenzgeld in Höhe von 1.421,99 Euro.

Höhe des Insolvenzgeldes bei Sittenwidrigkeit nach üblicherweise gezahltem Tariflohn zu bemessen

Das Gericht gab der Klage statt und verurteilte die Bundesagentur für Arbeit zur Zahlung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das vereinbarte Gehalt von 400,00 Euro sei sittenwidrig, da es in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeit, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreiche.

Der Kläger habe zu einem Stundenlohn von 2,27 Euro gearbeitet, was gerade einmal einem Fünftel des damals maßgeblichen Tariflohns der Baubranche entsprochen habe. Für die Höhe des Insolvenzgeldes folge hieraus, dass dieses nicht auf Grundlage der vertraglichen Vergütungsabrede zu bemessen sei, sondern auf Grundlage des üblicherweise gezahlten Tariflohns.

Es könne auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers darin gesehen werden, dass er monatelang die Zahlung eines untertariflichen Lohnes hingenommen habe, nun aber von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld auf der Grundlage tariflichen Lohnes verlange. Er begehre einen letztlich gesetzlich vorgezeichneten Lohnanspruch, der ihm in ungesetzlicher Weise bislang vorenthalten worden sei. Gerade in den Fällen des Lohnwuchers sei es regelmäßig so, dass Arbeitnehmer sich wegen einer schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Arbeitsmarktverhältnisse auf einen ungünstigen Vertrag einließen.

Bei allen Fragen rund um das Thema Insolvenzgeld, Kurzarbeitergeld und weiteren arbeitsrechtlichen Themen ohne oder im Zusammenhang mit der Corona-Krise beraten unsere Berliner Rechtsanwälte Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Befristete Mehrwertsteuersenkung und steuerfreier Corona-Bonus

Bundestag und Bundesrat haben am 29.06.2020 das Zweite SteuerhilfeG beschlossen. Ein Kernpunkt des Pakets ist die befristete Mehrwertsteuersenkung ab 1. Juli 2020.

Im Zeitraum vom 1. Juli bis einschließlich 31. Dezember 2020 ist die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 % bzw. von 7 auf 5 % herabgesetzt.

In der Corona-Krise sind überdies Sonderzahlungen für Beschäftigte bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro im Jahr 2020 steuer- und sozialversicherungsfrei. Auch dies sieht das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19. Juni 2020 vor.

Arbeitgeber können ihren Beschäftigten Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500,00 Euro steuer- und SV-beitragsfrei auszahlen oder als Sachleistungen gewähren. Und zwar für die Sonderleistungen, die Beschäftigte zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 erbringen.

Keine Branchengebundenheit

Voraussetzung ist, dass Arbeitgeber die Beihilfen und Unterstützungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn leisten. Es ist dabei unerheblich, ob die Leistungen monatlich oder als Einmalzahlung gewährt werden. 

Die steuerfreien Leistungen müssen im Lohnkonto aufgezeichnet werden. Andere Steuerbefreiungen und Bewertungserleichterungen bleiben davon unberührt. Mit der Steuer- und Beitragsfreiheit der Sonderzahlungen wird die besondere und unverzichtbare Leistung von Beschäftigten in der Corona-Krise anerkannt.

Die sogenannte "Corona-Zulage" oder "Corona-Prämie" ist hierbei nicht branchengebunden. Sie kann von jedem Arbeitgeber ohne Abgabeverpflichtung zur Sozialversicherung gezahlt werden. 

Bei allen weiteren Fragen rund um Gesetzesänderungen im Rahmen der Corona-Krise und weiteren rechtlichen Themen beraten unsere Experten Unternehmer und Verbraucher sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Bundesfinanzhof: Fehlende Gemeinnützigkeit bei unverhältnismäßig hohen Geschäftsführervergütungen

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. März 2020, V R 5/17

Gewährt eine gemeinnützige Körperschaft ihrem Geschäftsführer unverhältnismäßig hohe Tätigkeitsvergütungen, liegen sog. Mittelfehlverwendungen vor, die zum Entzug ihrer Gemeinnützigkeit führen können. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12.03.2020 (V R 5/17) entschieden und zunächst über eine Pressemitteilung veröffentlicht.

Unverhältnismäßig hohe Vergütung

Ob im Einzelfall unverhältnismäßig hohe Vergütungen anzunehmen sind, ist durch einen sog. Fremdvergleich zu ermitteln. Als Ausgangspunkt hierfür können allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden, ohne dass dabei ein "Abschlag" für Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen vorzunehmen ist. Da sich der Bereich des Angemessenen auf eine Bandbreite erstreckt, sind nur diejenigen Bezüge als unangemessen zu bewerten, die den oberen Rand dieser Bandbreite um mehr als 20% übersteigen. Liegt ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt vor, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Entzug der Gemeinnützigkeit allerdings nicht automatisch gerechtfertigt. Der Entzug kommt erst dann in Betracht, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt.

Im Streitfall hatte das Finanzamt einer gGmbH, die sich in der psychiatrischen Arbeit engagiert und in erster Linie Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche erbringt, wegen unangemessen hoher Geschäftsführerbezüge die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2005 – 2010 versagt. Das Finanzgericht (FG) hatte die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Der BFH bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen. Die Revision der Klägerin war allein in Bezug auf die Streitjahre 2006 und 2007 erfolgreich, weil das FG für das Jahr 2006 nicht berücksichtigt hatte, dass die Angemessenheitsgrenze lediglich geringfügig (um ca. 3.000 €) überschritten war und es für das Jahr 2007 unterlassen hatte, bei der Angemessenheitsprüfung einen Sicherheitszuschlag anzusetzen.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, da es die Grundlagen für die Ermittlung von noch zulässigen Geschäftsführerbezügen aufzeigt und diese Grundsätze auch auf andere Geschäftsbeziehungen mit gemeinnützigen Körperschaften (z.B. Miet-, Pacht-, Darlehensverträge) angewendet werden können.  

Bei allen Fragestellungen zu Dienstverträgen sowie in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten stehen Ihnen unsere Experten jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.

Landgericht Hannover: Keine Entschädigung für Gastronomen wegen Corona-bedingten Umsatzverlusten

Landgericht Hannover, Pressemitteilung vom 14.08.2020 zum Urteil 8 O 2/20 vom 09.07.2020

Mit Urteil vom 09.07.2020 hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts die Klage eines Gastronomen abgewiesen, der vom Land Niedersachsen Entschädigung für Umsatzverluste während des coronabedingten “Lockdowns” verlangt hatte.

Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils hat der Klägervertreter mitgeteilt, dass gegen das klageabweisende Urteil keine Berufung eingelegt worden sei. Damit ist eine der bundesweit ersten Gerichtsentscheidungen zu sog. Corona-Entschädigungsklagen nunmehr rechtskräftig.

Die Kammer hat keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch erkennen können. Das Bundesinfektionsschutzgesetz sehe insoweit keine ausdrückliche Regelung vor. Dies entspreche der Intention des Gesetzgebers, der auch im Zuge einer Gesetzesänderung im März 2020 bewusst darauf verzichtet habe, eine Entschädigung für die flächendeckenden Schließungsanordnungen zu regeln. Hierdurch sei auch ein Rückgriff auf das Landespolizeirecht gesperrt, welches grundsätzlich eine Entschädigungsregelung für als “Nichtstörer” in Anspruch genommene Personen vorsehe. Schließlich ergebe sich auch aus allgemeinem Staatshaftungsrecht kein Entschädigungsanspruch. Dies weil dem Kläger durch die betreffenden Maßnahmen kein individuelles und unzumutbares Sonderopfer auferlegt worden sei.

Allenfalls vereinzelt und nur in erster Instanz haben Gerichte bundesweit bisher über die mit der Klage aufgeworfenen Rechtsfragen entschieden. Obergerichtliche Rechtsprechung gibt es diesbezüglich noch nicht.

Lassen Sie sich beraten!

Zahlreiche Unternehmen geraten wegen der Auswirkungen der Covid19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Dies betrifft insbesondere auch viele Unternehmen in Berlin.

Grundsätzlich gilt: Bei verspäteter Stellung des Insolvenzantrags haftet der Geschäftsführer einer GmbH dem Unternehmen ggf. persönlich für alle Zahlungen, die das Unternehmen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der insolvenzrechtlichen Überschuldung geleistet hat. Dies gilt allerdings nur, soweit die Zahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 64 S. 2 GmbHG).

Wenn Ihr Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und eine Zahlungsunfähigkeit droht, sollten Sie sich baldmöglichst durch einen in Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz erfahrenen Experten beraten lassen. Gerade ob und inwieweit Strafbarkeits- und Haftungsrisiken im Einzelfall bestehen, sollte frühzeitig anwaltlich überprüft werden.

Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu uns auf. Sie finden unsere Kanzlei in zentraler Lage am Kurfürstendamm (Ecke Bleibtreustraße).

Bundesarbeitsgericht: Die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführer folgt aus § 621 BGB

BAG, Urteil vom 11.6.2020, 2 AZR 374/19

Für die Kündigung eines Geschäftsführervertrags gilt nach § 621 BGB eine kurze Kündigungsfrist, denn der Geschäftsführervertrag wird als freier Dienstvertrag angesehen. So kann das Vertragsverhältnis, wenn das Gehalt nach Monaten bemessen ist, nach § 621 Nr. 3 BGB durch eine bis zum fünfzehnten eines Monats abgegebene Erklärung zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden. Wenn das Gehalt nach längeren Zeitabschnitten bemessen ist, gilt eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende. Die Frist gilt für beide Seiten.

Bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte

Diese kurzen gesetzlichen Fristen galten nach bisheriger richterlicher Rechtsfortbildung nicht für Fremdgeschäftsführer. Ebensowenig für Gesellschafter-Geschäftsführer, die einen zu kleinen Anteil an der Gesellschaft halten, um einen beherrschenden Einfluss auf diese entfalten zu können. Für solche Geschäftsführer waren die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB maßgeblich. Dies sieht auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung so.

Neue Rechtsprechung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat nun gegenteilig entschieden, dass auch für Fremdgeschäftsführer und solche, die lediglich einen kleinen Anteil an der Gesellschaft halten, die in der Regel kürzeren Kündigungsfristen des § 621 BGB gelten.

Ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, könne sich nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen.

§ 622 BGB sei vielmehr - seinem Wortlaut entsprechend - nur auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses anzuwenden. Wegen der für freie Dienstverhältnisse bestehenden Regelung in § 621 BGB fehle es an einer ausfüllungsbedürftigen planwidrigen Regelungslücke. Eine analoge Anwendung der Norm auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags sei daher nicht zulässig.

Regelmäßig sehen Geschäftsführerverträge lange Kündigungsfristen im Falle einer ordentlichen Kündigung vor. Geschäftsführer, die vorausschauend handeln achten bei der Vertragsverhandlung darauf und haben zusätzlich eine Abfindungsregelung vertraglich vereinbart.

Bei allen Fragestellungen zu Dienstverträgen sowie in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.

BGH zum Wohnraummietrecht: Mieter müssen sich an den Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen

BGH, Urteile vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt.

Die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag sei unwirksam, wenn diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt werde.

Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht sei grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.

Dies führe aber nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein ausschieden. Vielmehr treffe den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat - was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn naheliege.

Hierbei sei eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebiete es der Grundsatz von Treu und Glauben, die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

Daher könne der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine "frische" Renovierung verlangen kann, müsse sich aber andererseits in angemessenem Umfang (in der Regel hälftig) an den dafür erforderlichen Kosten beteiligen.

Beide Verfahren sind noch nicht rechtskräftig, sondern wurden zur Aufklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz verwiesen.

Bei allen Fragen rund um das Mietrecht stehen Ihnen unser Experten jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf und vereinbaren einen Termin.

Landgericht Berlin: „Berliner Mietendeckel“ (MietenWoG Bln) ist verfassungsgemäß

Landgericht Berlin, Urteil vom 31. Juli 2020, Aktenzeichen: 66 S 95/20

Dies hat die für Berufungen in Mietsachen zuständige Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin festgestellt, wie aus einer Pressemitteilung des Kammergerichts vom 31.07.2020 hervorgeht. Die Richter haben entschieden, dass nach ihrer Ansicht die Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) – auch als sog. „Berliner Mietendeckel“ bezeichnet – als verfassungsgemäß anzusehen sind. Allerdings könnten diese Vorschriften – so die Richter der Zivilkammer 66 – trotz des gesetzlichen Stichtags vom 18. Juni 2019 Mieterhöhungen der Vermieterseite erst ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 23. Februar 2020 und nicht schon für Zeit zwischen diesem Stichtag und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verhindern.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in Berlin ein Mieterhöhungsverlangen der Vermieterseite vom 18. Juni 2019 – und damit genau vom gesetzlichen Stichtag – im Rahmen einer Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu prüfen. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hatte die Klage der Vermieterseite in der ersten Instanz mit der Begründung abgewiesen, das mit der Klage geltend gemachte Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 sei auf ein nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG Bln und 134 BGB verbotenes Rechtsgeschäft gerichtet, da ein Mietzins verlangt werde, der die am 18. Juni 2019 – dem Stichtag des Gesetzes – wirksam vereinbarte bzw. geltende Miete überschreite.

Auf die dagegen eingelegte Berufung des klagenden Vermieters haben die Richter der Zivilkammer 66 mit ihrem heutigen Urteil die Entscheidung der ersten Instanz für die Mietzinsansprüche ab dem 01. März 2020 bestätigt. Die Zivilkammer 66 – so der Vorsitzende in der heutigen Urteilsbegründung – sehe das Gesetz zum sog. „Berliner Mietendeckel“ weder formell noch materiell als verfassungswidrig an, sodass keine Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bisher lediglich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für das MietenWoG Bln als „offen“ bezeichnet, und damit eine Tendenz nicht erkennen lassen. Da die Kammer selbst nicht zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit gelangt sei, sei das Verfahren auch nicht auszusetzen, sondern das als wirksam erachtete Gesetz anzuwenden.

Allerdings sei das MietenWoG Bln als ein Verbotsgesetz mit zivilrechtlichen Folgen nach § 134 BGB erst am 23. Februar 2020 in Kraft getreten. Der in diesem Gesetz enthaltene Stichtag am 18. Juni 2019 stelle zwar einen materiell maßgeblichen Bezugspunkt für die Ermittlung der absolut (noch) zulässigen Miethöhe dar. Dies ändere aber nichts daran, dass das gesetzliche Verbot höherer Mieten zum Stichtag am 18. Juni 2019 noch nicht existiert habe, sondern erst ab dem 23. Februar 2020 gelte. Daher sei eine höhere Miete als die am Stichtag vereinbarte bzw. geltende Miete erst ab dem März 2020 für den monatlich zu zahlenden Mietzins verboten.

Das Mieterhöhungsverlangen für die Zeit ab dem 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 verstoße daher nicht gegen das gesetzliche Verbot des MietenWoG Bln. Es überschreite aber die ortsübliche Vergleichsmiete, sodass die Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete für den Zeitraum vom 01. September 2019 bis Ende Februar 2020 aus diesem Grunde keinen Erfolg habe, weshalb die Berufung insgesamt unbegründet und zurückzuweisen sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bei allen Fragen rund um das Mietrecht stehen Ihnen unser Experten jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf und vereinbaren einen Termin.

Schadenersatz durch Stellenanzeige: Altersdiskriminierung durch Selbstbeschreibung als "junges, hoch motiviertes Team"

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27.05.2020 - 2 Sa 1/20 -

Bietet der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine "zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team", so liegt hierin eine Tatsache, die eine Benachteiligung des nicht eingestellten 61-jährigen Bewerbers wegen des Alters nach § 22 AGG vermuten lässt. Das hat das LAG Nürnberg zuletzt entschieden und dem abgelehnten Bewerber einen Schadenersatz in Höhe von zwei Brutto-Monatsgehältern zuerkannt.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts beschreiben die Begriffe "jung" und "hochmotiviert" durchweg Eigenschaften, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben werden. Der Begriff "hochmotiviert" sei zudem vergleichbar mit dem Begriff "dynamisch". Durch die Formulierung werde nicht nur die Botschaft vermittelt, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert seien. Vielmehr könne eine solche Angaben in einer Stellenanzeige nach Ansicht des Gerichts nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer / eine Arbeitnehmerin suche, der / die in das Team passe, weil er / sie ebenfalls jung und hochmotiviert ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams.

Im Arbeitsrecht lauern selbst an ungeahnten Stellen eine Reihe von Fallstricken, vor denen man sich in Acht nehmen sollte. Im Zweifel ist Arbeitgebern daher dringend anzuraten, professionelle Beratung im Vorfeld von Ausschreibungen, Einstellungen, Kündigungen oder sonstigen Personalmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, um teure Überraschungen zu vermeiden. Für (potentielle) Arbeitnehmer gilt dies mit umgekehrten Vorzeichen: Nicht alles muss unwidersprochen hingenommen werden. Lassen Sie sich vorsorglich und rechtzeitig über Ihre Rechte beraten.

Bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.

Rückzahlung von Fortbildungskosten bei Eigenkündigung

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.10.2019 - 1 Sa 503/19

Die „auf Wunsch des Mitarbeiters“ zurückgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses meint die unterschiedslose Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Knüpft daran eine Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an, differenziert diese nicht ausreichend und ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Dies hat das LAG Hamm in einer zwischenzeitlich veröffentlichten Leitsatzentscheidung entschieden.

Zum Sachverhalt

Die klagende Arbeitgeberin forderte vom beklagten Arbeitnehmer Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten.

Auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.01.2015 beschäftigte die Klägerin den Beklagten seit dem 15.01.2015 als Gesundheits- und Krankheitspfleger. Am 22.06.2016 schlossen die Parteien einen „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel“ , auf dessen Basis der Beklagte vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2018 eine Fachweiterbildung absolvierte, die er bereits Ende September 2018 erfolgreich abschloss. Während des Lehrgangs wurde der Beklagte in einem Umfang von 670 Stunden unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt, um an der Fortbildung teilnehmen zu können. Die dafür anfallenden Vergütungskosten bezifferte die Klägerin mit 15.235,48 €. Die Kosten des Lehrgangs waren in der Fortbildungsvereinbarung mit 5.300,00 € angegeben. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 12.07.2018 ordentlich und fristgerecht zum 30.09.2018.

Der Fortbildungsvertrag regelte in § 2 Folgendes:

"Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die dem Arbeitgeber entstandenen Auswendungen für die Weiterbildung, einschließlich der für die Zeit der Freistellung gezahlte Vergütung, zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung der Fortbildung auf Wunsch dem Mitarbeiter (sic!) beendet wird oder das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird. Ebenfalls liegt eine Rückzahlungsverpflichtung für den gleichen Zeitraum vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird.“

Die Klägerin nahm den Beklagten daraufhin auf Erstattung der Fortbildungskosten in Anspruch. Eine Zahlungspflicht hat das LAG Hamm indes verneint und entschieden, dass die im Ergebis unwirksame Klausel den beklagten Arbeitnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Keine Rückzahlungspflicht bei Unklarheit der Rückzahlungsklausel

Zur Begründung hat das LAG Hamm unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wie folgt ausgeführt:

Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen unterliegen einer Inhaltskontrolle i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB. Diese findet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bei solchen allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen auch solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten. § 2 des Fortbildungsvertrages legt hier die Umstände der Hauptleistungspflichten aus der Fortbildungsvereinbarung fest. Durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck wird eine von der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1, 2 GG abweichende Regelung vereinbart und damit von einer Rechtsvorschrift abgewichen.

Der Wirksamkeit der auf Rückzahlung der aufgewandten Fortbildungskosten ausgerichteten Klausel in § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. des Fortbildungsvertrages steht § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Die Rückzahlungsklausel benachteiligt den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weshalb sie unwirksam ist und ersatzlos entfällt.

Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung müssen sich Rückzahlungsklauseln, die als allgemeine Geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Vorformulierte Rückzahlungsklauseln sind dann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein dessen Belange hinreichend zu beachten und auszugleichen.

Wenn auch einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig sind, sind sie jedenfalls dann unwirksam, wenn sie die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig einschränken. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Die rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitnehmers werden dann nicht ausreichend beachtet, wenn die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist geknüpft wird. Es ist vielmehr erforderlich, dass nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert wird.

Die Rückforderungsklausel nach § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative des Fortbildungsvertrags differenziert nicht danach, aus welchen Gründen der beklagte Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausgespricht. Die Klausel erfasst deshalb auch eine Kündigung des Arbeitnehmers, die auf Gründe zurückzuführen ist, die in der Sphäre des Arbeitgebers wurzeln – z. B. in dessen vertragswidrigem Verhalten. Anerkennens- und billigenwerte Interessen der klagenden Arbeitgeberin, eine Klausel mit einem solchen Inhalt aufzustellen, sind indes nicht ersichtlich. Dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des beklagten Arbeitnehmers, denn in einer solchen Situation nimmt der Arbeitgeber durch die aus seiner Sphäre ausgelösten Kündigungsgründe dem beklagten Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

Bei allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere solchen der Vertragsgestaltung, aber auch bei Bestandsstreitigkeiten, steht Ihnen unser Experte jederzeit zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu unserer Berliner Kanzlei auf.